Teil 1 – Geologie und Archäologie vereint
Baden – spätestens seit der Römerzeit bekannt für die wohltuende Wirkung des Thermalwassers und den gewissen Luxus – steht auch heute noch im Zeichen der Erholung und des Wellnessens. Mit dem Neubau unserer Wellness-Therme FORTYSEVEN von Star-Architekt Mario Botta gibt es nun seit zwei Jahren ein neues Thermalbad, das Gäste aus aller Welt anlockt und für puren Genuss und Erholung sorgt. Woher aber kommt eigentlich das Wasser für unsere Wellness-Therme und wie kommt es in die Becken? Diesen und anderen Fragen sind wir nachgegangen und haben Antworten gefunden…
Die Wirkung des Thermalwassers
Geologie
Archäologie
In Baden dürfen wir von dem am stärksten mineralisierten Thermalwasser der Schweiz profitieren. Dazu kommt, dass es im Durchschnitt mit rund 47 Grad Celsius aus der Quelle kommt. Bereits in der Römerzeit war es dafür bekannt, eine heilende und entspannende Wirkung auf den Körper und den Geist zu haben. Auch heute wird – nicht nur dem Thermalwasser in Baden – hervorgesagt, dass es eine positive Wirkung auf die physische und mentale Gesundheit haben soll. Mehr über die Wirkung des Thermalwassers und wie es vielleicht sogar die Nerven beruhigen kann finden Sie in unserem Blogbeitrag: Mentale Gesundheit im FORTYSEVEN
Warum ist Baden eigentlich so reich an Thermalquellen? Und wie kommt das Wasser an die Oberfläche, beziehungsweise in die Wellness-Therme? Fragen über Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Im Gespräch mit Geologe Jürg Stäuble konnten wir einige Fragen klären:
FORTYSEVEN: Warum ist Baden so reich an Thermalquellen?
Jürg Stäuble: Vor 60 Millionen Jahren hat sich die Afrikanische Kontinentalplatte gegen die Europäische Platte geschoben. Dabei wurden die obersten Schichten abgeschert, zusammengedrückt und zu den Alpen aufgefaltet. In einer letzten Phase der Alpenbildung entstand vor ungefähr fünf bis neun Millionen Jahren das Juragebirge. Die Lägern ist der östlichste Ausläufer des Faltenjuras. Hier entspringen die Quellen im Kern der Lägernfalte, weil die Limmat ihren Lauf tief in die Felsschichten eingeschnitten hat, sodass der Thermalwasser führende Muschelkalk nur noch wenig mit schlecht wasserdurchlässigem Keupermergel bedeckt ist. Klingt kompliziert, ist es auch. Dort wo dieser Deckel Löcher aufweist steigt das unter Druck stehende Thermalwasser selbstständig und in einem natürlichen Prozess an die Erdoberflächen (bekannt als natürliche Quellen). Die Quellwasseraustritte sind nicht beliebig angeordnet, sondern entlang von Brüchen im Fels aufgereiht. Heute existieren 19 gefasste Quellen, von denen allerdings nur noch 17 genutzt werden. Die Quellfassungen entstanden im Laufe der Zeit durch Nachgrabungen und Bohrungen.
FORTYSEVEN: Wissen wir von allen Quellen? Oder könnte es noch andere Quellen geben, die einfach nicht an die Oberfläche treten?
Jürg Stäuble: Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es noch weitere Quellen z.B. in der Limmat geben könnte. Beim Neubau des Hotels Schwanen wurde 1843 eine Bohrung durchgeführt und so eine künstlich herbeigeführte Quelle ins Leben gerufen. Die vermutlich bis in den Muschelkalk hinunterreichende Bohrung lieferte sehr viel Wasser. Das Problem dabei war, dass bei den anderen Quellen plötzlich weniger Wasser austrat und diese nicht mehr die gleichen Schüttmengen hatten. Das führte zu Streitigkeiten unter den Quelleneigentümern.
FORTYSEVEN: Hatte diese Bohrung Folgen für die bestehenden Bäder und die Zukunft der Quellen?
Jürg Stäuble: Ja und Nein. Die Ausflussmenge der Schwanenquelle wurde mit einer Blende gedrosselt, so dass heute nicht mehr die maximal mögliche Wassermenge an die Oberfläche strömen kann. Aufgrund der Streitigkeiten unter den Quellenbesitzern wurde 1844 vom Kanton das erste Dekret über die Sicherung der öffentlichen Thermalquellen erlassen, um die bestehenden Quellen zu schützen. Das 1869 überarbeitete «Dekret betreffend die Sicherung der bestehenden Heilquellen und das Graben nach solchen in Baden und Ennetbaden», ist Bestandteil des heute geltenden Kantonalen Nutzungsplans für den Schutz der Thermalquellen in Baden und Ennetbaden (Gemeinden Baden, Ennetbaden und Obersiggenthal), welcher das Schutzgebiet grösser erfasst.
«Heute wissen wir, dass das Thermalwasser in Baden ein Mischwasser ist, welches sich aus jungem, durch Niederschläge gespeistem Oberflächenwasser und aus altem, aus grosser Tiefe aufsteigendem Thermalwasser zusammensetzt.»
FORTYSEVEN: Alles klar, aber woher kommt denn nun das Wasser?
Jürg Stäuble: Abschliessend ist diese Frage schwer zu beantworten. Heute wissen wir, dass das Thermalwasser in Baden ein Mischwasser ist, welches sich aus jungem, durch Niederschläge gespeistem Oberflächenwasser und aus altem, aus grosser Tiefe aufsteigendem Thermalwasser zusammensetzt. Dies ergibt ein «Mischalter» von mindestens 4000 Jahre. Das entlang von Brüchen im Grundgebirge, aus grosser Tiefe aufsteigende Wasser ist sehr heiss, so dass das Mischwasser eine Durchschnittstemperatur von 47° C aufweist. Quellwasser mit Temperaturen über 20° C wird als Thermalwasser bezeichnet.
FORTYSEVEN: Wie viel Wasser wird pro Tag ungefähr in den Badener Quellen getragen?
Jürg Stäuble: Seit 1848 werden die Schüttmengen bei 17 Quellfassungen durch den kantonalen Eichmeister periodisch gemessen. Der grösste Gesamtertrag der Quellen wurde mit 949 l/min im Sommer 1971, der kleinste Ertrag mit ca. 510 l/min Ende 2021 gemessen. Die Ertragsschwankungen reagieren mit 8 – 10-monatiger Verzögerung auf das Niederschlagsgeschehen westlich von Baden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die Fliessdauer des Wassers im Untergrund, sondern nur um die Dauer der Druckübertragung.
FORTYSEVEN: Warum ist das Thermalwasser in Baden so stark mineralisiert?
Jürg Stäuble: Das Wasser durchströmt Felsschichten (250 – 200 Millionen Jahre alte Meeresablagerungen aus der Zeit der Trias), welche leicht lösliche Mineralien wie Steinsalz und Gips führen. Das Wasser wird dabei vor allem an Natrium, Calcium, Chlorid und Schwefel angereichert. Mit über 4 g/l an gelösten Substanzen ist das Thermalwasser von Baden und Ennetbaden das am stärksten mineralisierte «Heilwasser» der Schweiz.
FORTYSEVEN: In Anbetracht des Klimawandels und der Gletscher-Schmelze, sowie den meteorologischen Veränderungen, haben Sie Respekt vor einer Thermalwasser Knappheit?
Jürg Stäuble: Jaein. Durch unser Wissen darüber, dass das an die Oberfläche tretende Thermalwasser ein Mischwasser ist, das aktuell etwa 4000 Jahre alt ist, aber eben auch einen Anteil von jungem Oberflächenwasser besitzt, hat das Klima einen indirekten Einfluss auf die Quellschüttmenge. Nach langanhaltender Trockenheit nehmen die Thermalwassermengen ab, wogegen sich ergiebige Niederschläge mit der erwähnten Verzögerung positiv auf die Quellerträge auswirken.
Jetzt wo wir mehr oder weniger wissen, wie das Thermalwasser an die Oberfläche tritt – vielen Dank an dieser Stelle an Jürg Stäuble – fragen wir uns natürlich, welchen Stellenwert Thermalwasser bereits für die Römer hatte. Wie wurde das Wasser genutzt, wie waren Traditionen und welche Auswirkungen unser Wissen von damals in unser heutiges Badeverhalten und Leben in und um Baden noch hat. Dazu haben wir uns mit der Archäologin Andrea Schaer getroffen.
FORTYSEVEN: Andrea, erzähl uns doch bitte wie du zu diesem Projekt «Bäder Quartier» gekommen bist.
Andrea Schaer: Damals war ich bei der Kantonsarchäologie Aargau für die Ausgrabungen im Kanton zuständig und damit auch für Baden. Als die Planung für die neue Wellness-Therme begann, war uns sofort klar, dass davon auch archäologische Überreste betroffen sein würden – in Baden wurde schliesslich schon 2000 Jahre gebadet. Entsprechend mussten vor Baubeginn Ausgrabungen stattfinden.
FORTYSEVEN: Was bedeutet dieses Projekt für dich? Immerhin habt ihr ja mehrere grössere Entdeckungen gemacht und konntet wichtige Thesen (be)legen und/oder wiederlegen.
Andrea Schaer: Für die Kantonsarchäologie Aargau waren die Bädergrabungen eines der grössten und komplexesten Grabungsvorhaben, die je durchgeführt wurden. Sie boten einmal ganz abgesehen vom gesetzlichen Auftrag, den es umzusetzen galt, vor allem ein riesiges Forschungspotenzial und ein noch viel grösseres Potenzial zur Vermittlung der Bädergeschichte. Nicht zuletzt waren die Grabungen ein Schritt, den es brauchte, um das Jahrtausende alte Erbe der Badener Bäderkultur am Leben zu erhalten. Damit sind auch die Grabungen Teil der Bädergeschichte. Die Ergebnisse der Grabungen werfen nicht nur ein neues Licht auf die Badener Bädergeschichte – so wissen wir heute viel mehr über die Baugeschichte der römischen Thermen oder der mittelalterlichen Bäder –, die Präsenz der Archäologie in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion hat auch in der Badener Bevölkerung zu einer Neubewertung der Bädergeschichte geführt.
«Die Römer legten gewissermassen den Grundstein für die Badener Bädertradition. Ihre wasserbaulichen Massnahmen, welche Quellen sie fassten, sind bis heute Grundlage für den Bäderbetrieb.»
FORTYSEVEN: Kannst du uns einen Einblick in deine Arbeit und deine Entdeckungen geben?
Andrea Schaer: Ja, gerne! Wie bereits gesagt, wurde die Kantonsarchäologie schon sehr früh, ab 2006, in die Planung der Neugestaltung der Badener Bäder miteinbezogen. Wir haben dann als erstes in Archiven und Akten alle Informationen gesammelt, die es uns erlaubten, ein Bild des archäologischen Wissensstands zu den Bädern zu erhalten. Zudem wollten wir in Erfahrung bringen, in welchem der zur Überbauung vorgesehenen Areale welche Art von Ruinen und Überresten zu erwarten war. Auf dieser Grundlage konnten wir die Ausgrabungen planen, die dann in drei Etappen zwischen 2009 und 2021 stattfanden. Zu den herausragenden Entdeckungen gehören einerseits die Ruinen der römischen Thermenanlagen. Sie geben Auskunft über die Vorgehensweise der Römer beim Fassen der Thermalquellen und beim Bau der ersten Bäder. Die Römer legten gewissermassen den Grundstein für die Badener Bädertradition. Ihre wasserbaulichen Massnahmen, welche Quellen sie fassten, sind bis heute Grundlage für den Bäderbetrieb. Ebenfalls von grosser Bedeutung sind Erkenntnisse zu den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bädern, die wir bei der Untersuchung der Ruinen des Bädergasthofs Hinterhof – da, wo heute eure Wellness-Therme steht – und bei bauarchäologischen Untersuchungen in den Bauten des Verenahofgevierts erarbeiten konnten. Diese Erkenntnisse sind von europaweiter Bedeutung. Mit dem «Kesselbad» des Bädergasthofs Hinterhofs ist heute ein letzter Zeuge der mittelalterlichen Bäder im Untergeschoss der Wellness-Therme erhalten.
«Die Römer legten gewissermassen den Grundstein für die Badener Bädertradition. Ihre wasserbaulichen Massnahmen, welche Quellen sie fassten, sind bis heute Grundlage für den Bäderbetrieb.»
FORTYSEVEN: Das ist wirklich toll! Und uns freut es auch immer, wenn wir auf dem Weg ins Büro daran vorbeilaufen dürfen. Waren das die grössten und wichtigsten Entdeckungen?
Andrea Schaer: Es sind wirklich sehr spannende und bedeutende Entdeckungen, die für die Erforschung des kulturgeschichtlichen Phänomens der Thermalbadeorte in Europa von herausragender Bedeutung sind. Sagen was am grössten und wichtigsten war, kann und will ich daher nicht. Das Gesamtpaket ist bedeutend.
Wir könnten noch Stundenlang weiter mit Andrea Schaer über die Ausgrabungen und mit Jürg Stäuble über die geologischen Gegebenheiten diskutieren, doch würde dies den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bei Jürg Stäuble und Andrea Schaer für die tatkräftige Unterstützung, die zur Verfügung gestellten Informationen und das Bildmaterial sehr herzlich bedanken. Im zweiten Teil dieses Beitrages gehen wir nun weiter auf das Thema Wasser und wie es von der Quelle überhaupt zu uns ins Bad kommt ein. Dazu durften wir mit der ISS sprechen und haben auch da nochmal viele wertvolle und spannende Fakten gelernt. Mehr dazu finden Sie hier.